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Bizarre Bilderwelten an einem abgeschiedenen Ort

Manchmal findet sich die Kunst dort, wo man sie am wenigsten vermutet – zum Beispiel im Gewerbegebiet Stade-Süd. Noch bis Ende Januar zeigt die Galerie Fündling am Klarenstrecker Damm 5 Zeichnungen und Radierungen von Andreas Noßmann aus dem Zyklus „Zirkus“. Ergänzend dazu werden in einer Dauerausstellung weitere Exponate des erst 28 Jahre jungen Künstlers gezeigt: eine Bilderwelt zum Hinschauen, Entdecken – und Staunen.

Der in Ennepetal bei Essen lebende Zeichner hat einen bemerkenswert eigenwilligen künstlerischen Ausdruck. Unwillkürlich denkt der Betrachter an Horst Janssen oder Alfred Hrdlicka, denen Noßmann durchaus das Wasser reichen kann. In seinen Bildern herrscht ungeheure Bewegung, huschen groteske, phantastische, oft auch barbarische Gestalten umher. Das Gros der Zirkusszenen wirkt wie ein tragikomisches Spiel mit dem Tod. Schwarzer Humor lacht dem Betrachter aus jedem Detail entgegen. Clowns, Gaukler, Zauberer, dazu jede Menge Ratten tummeln sich neben einem Sarg, eine Hinrichtungsszene trägt den makabren Titel „Helau“. Noßmann benutzt das Zirkusmilieu als Spiegelbild für eine Welt, in der sich die Menschen bis aufs Blut verfolgen. In der zeichnerischen Zuspitzung entlarvt er die Absurdität menschlichen Lebens ebenso wie dessen Morbidität. Diese tritt am auffälligsten in der Darstellung sexueller Handlungen zutage. Angesichts der Jugend des Künstlers erstaunen Anzahl der Bilder und Vielfalt – auch historischer – Bezüge.

Noßmann scheint – hat er einmal ein Thema entdeckt – in einen Schaffensrausch zu verfallen. In einer Flut von Tusch-, Federzeichnungen und Radierungen spürt er Wolfgang Amadeus Mozart oder dem „Teufelsgeiger“ Paganini nach. Seine Musikerkarikaturen lösen sich am Ende – in der Hingabe an ihr Instrument – im temperamentvollen Strich auf. Intensiv hat sich Noßmann auch mit seinem Vorbild beschäftigt, dem spanischen Maler Goya. In dem Zyklus „Variationen zu Goya“ hat er dessen Motive aufgegriffen und aktuell bearbeitet. Colorierte Passagen dienen dabei zur Hervorhebung ihm wichtiger Aspekte.

Galerist Wilhelm Fündling, im Hauptberuf im Baugewerbe tätig, ist nicht zu Unrecht stolz darauf, den jungen Künstler nach Stade geholt zu haben. Es handelt sich um die erste große Einzelausstellung der vor drei Jahren eröffneten Galerie, die zudem Ölbilder zeitgenössischer europäischer Künstler anbietet: Landschaften, Stilleben, Portraits, wenig Abstraktes. Die Ausstellung ist montags bis freitags von acht bis achtzehn Uhr, sonnabends von neun bis zwölf, sonntags dreizehn bis siebzehn Uhr geöffnet.
fred

Stader Tageblatt 13.12.90

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