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Das Problem mit dem wir alle leben

Ruby Bridges, das afroamerikanische Mädchen im Mittelpunkt von Norman Rockwells Gemälde „The Problem we all live with“ von 1963/64, gilt heute als Ikone der farbigen Bürgerrechtsbewegung. Dieses Bild hat mich schon immer fasziniert, obwohl der „weiße“ Rockwell in seiner Bildwelt eigentlich vor allem das saubere, weiße Amerika humorvoll inszenierte, aber es gibt, wie dieses Bild zeigt, in seinem Gesamtwerk durchaus auch Nachdenkliches mit großer, nachhaltiger Wirkung.

Meine Adaption von Norman Rockwells ikonischem Werk „The Problem We All Live With“ verschiebt den Fokus von der Bürgerrechtsbewegung und der rassistischen Diskriminierung in den USA hin zur Problematik des Antisemitismus. Durch die Darstellung eines jüdischen Kindes in traditioneller Kleidung, das von US-Marshals eskortiert wird, bleibt die Grundkomposition des Originals erhalten, doch die Symbolik wird in eine neue Richtung gelenkt. Das jüdische Kind repräsentiert nicht nur eine ethnische oder religiöse Minderheit, sondern wird zum Sinnbild für die jahrhundertelange Verfolgung und Unterdrückung der jüdischen Gemeinschaft. Seine gebeugte Haltung und der ernste Gesichtsausdruck verweisen auf die Last, die diese Gemeinschaft trägt, und auf die anhaltende Bedrohung, der sie ausgesetzt ist.

Der im Original verwendete, an die Wand geschmierte Schmähbegriff „Nigger“ wurde von mir durch ein antisemitisches Graffiti ersetzt, dass Rot, an der Stelle, wo die Tomate an der Wand aufplatzte, deutlich verstärkt, die Farbgebung insgesamt, im Vergleich zum Vorbild, deutlich kühler gehalten. Die US-Marshals, die im Original als Symbole des Schutzes und der staatlichen Autorität fungieren, behalten auch in der Adaption ihre Rolle als Beschützer bei. Aber auch hier lenken sie die Aufmerksamkeit auf die Ambivalenz staatlicher Macht. Historisch gesehen war der Staat immer sowohl ein Instrument des Schutzes als auch der Unterdrückung. Diese Dualität lässt die Frage aufkommen, ob institutioneller Schutz ausreicht, um Minderheiten effektiv vor Diskriminierung und Gewalt zu bewahren.

Durch die Verlagerung des Themas von Rassismus zu Antisemitismus soll die Adaption die universelle Natur von Unterdrückung und Ausgrenzung verdeutlichen. Sie zeigt auf, dass die Mechanismen von Hass und Vorurteilen in unterschiedlichen Kontexten auftreten können, aber auch immer dieselben zerstörerischen Konsequenzen haben. Meine Bildadaption eines wirklich großen Werkes sollte natürlich mehr sein als eine Hommage an Rockwells Werk. Aber eigentlich ist sie nicht mehr als eine Neuinterpretation, die die universellen Prinzipien von Gerechtigkeit, Schutz und menschlicher Würde anspricht. Indem sie die Perspektive von einer spezifischen Form der Unterdrückung erweitert, wird sie zu einem Aufruf zur Wachsamkeit und zum Handeln gegen alle Formen von Hass und Vorurteilen.

Bleistift, Farbstift, Aquarell
Wvz. 5394
Format: 350 x 500 mm
Januar 2025

Details

Das Original von Norman Rockwell (1894 – 1978)

© Norman Rockwell, 1961-1964 | Öl auf Leinwand 91 × 150 cm | Norman Rockwell Museum, Stockbridge (Massachusetts)

Das Gemälde „The Problem We All Live With“ von Norman Rockwell zeigt die sechsjährige Ruby Bridges, die 1960 als erstes afroamerikanisches Kind eine zuvor rein weiße Grundschule in New Orleans besuchte. Das Bild stellt einen wichtigen Moment der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung dar. Das Gemälde zeigt Ruby Bridges in einem weißen Kleid, wie sie auf dem Weg zur Schule von vier US-Marshals eskortiert wird. Die Marschalls sind nur teilweise im Bild zu sehen, wodurch der Fokus auf Ruby und ihre Entschlossenheit gelegt wird. Im Hintergrund sind beleidigende Graffiti wie das Wort „Nigger“ und ein an die Wand geworfenes Tomatenstück zu erkennen, was die feindliche Atmosphäre unterstreicht, der Ruby ausgesetzt war. Ruby Bridges betrat am 14. November 1960 die William Frantz Elementary School, begleitet von Bundesmarschalls, da es zu massiven Protesten und Drohungen gegen sie kam. Der Vorfall war ein entscheidender Moment in der Aufhebung der Rassentrennung in den USA, ein Prozess, der durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs in Brown v. Board of Education (1954) eingeleitet wurde. Bedeutung des Gemäldes: Rockwells Werk, ursprünglich in der Zeitschrift Look veröffentlicht, steht für den Mut von Einzelpersonen, die Diskriminierung und Ungerechtigkeit widerstanden. Es markierte auch eine Wende in Rockwells künstlerischem Fokus, da er sich in späteren Jahren verstärkt sozialen und politischen Themen widmete.

Präsident Barack Obama, Ruby Bridges und Vertreter des Norman Rockwell Museum betrachten Rockwells „The Problem We All Live With“, das am 15. Juli 2011 in einem Flur im Westflügel in der Nähe des Oval Office hängt. Ruby Bridges ist das Mädchen auf dem Gemälde. (© Offizielles Foto des Weißen Hauses von Pete Souza)