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Die Heilung des Besessenen von Gerasa

Das Gleichnis von Jesus, der den Besessenen von Gerasa heilt, ist einer der seltsamsten Wundererzählungen im Neuen Testament (MK 5, 1-20) und weckt in historisch-kritischer Betrachtung mehr Fragen und Zweifel in Sachen theologischer, politischer Symbolik, als jedes andere. Warum sich Jesus überhaupt nach Gadara-Gerasa begibt, in ein Gebiet, in dem ausschließlich Heiden mit ihren gut 2000 Schweinen leben, bleibt unklar. Der besessene Mann steht vermutlich metaphorisch für die Macht des Bösen oder der Unterdrückung, die die Menschheit gefangen hält. Seine Besessenheit durch die Dämonen „Legion“ könnte die kollektive Unterdrückung durch die römische Gewaltherrschaft, das einst allgegenwärtige politische Regime, sowie die niederen soziale Strukturen und kulturelle Normen beschreiben. Die Anwesenheit der Dämonen der „Legion“ deutet somit wohl darauf hin, dass diese Unterdrückung weit verbreitet und tief verwurzelt ist. Auch das Jesus den Namen des Dämons/der Dämonen vom Besessenen wissen will, um diese auszutreiben, ist einzigartig im Neuen Testament, ebenso wie die Tatsache, dass dieser „Geheilte“ der einzige im Neuen Testament ist, der Jesus, nach seiner Genesung, nicht folgen soll/darf.

Die Heilung des Besessenen durch Jesus demonstriert die Macht des Guten, um nicht nur individuelle, sondern auch kollektive Befreiung zu bewirken. Indem er „Legion“ austreibt, kritisiert Jesus politische Macht Strukturen und zeigt eine Alternative, die auf Liebe, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit basiert. Die Reaktion der Besitzer der Schweine, die Jesus baten, ihre Region zu verlassen, verdeutlicht die Priorisierung materiellen Reichtums über das Wohl der Gemeinschaft und unterstreicht die Kritik an ungerechten wirtschaftlichen Praktiken oder politischen Systemen.

Die Tatsache, dass sich die Schweine, derer sich die nun die ausgetriebenen Dämonen bemächtig haben, von der Klippe ins Meer stürzen, kann als Symbol für die Zerstörung von politischen oder wirtschaftlichen Macht Strukturen interpretiert werden, die von der Ausbeutung anderer profitieren. Es zeigt eine Konfrontation mit denjenigen, die materiellen Gewinn über menschliches Wohl stellen. Jesus‘ Handeln ruft zur Solidarität und Fürsorge für diejenigen auf, die in der Gesellschaft marginalisiert sind oder unterdrückt werden. Es fordert dazu auf, sich aktiv für die Befreiung von Unterdrückung einzusetzen und menschliche Bedürfnisse über materiellen Gewinn zu stellen.

Insgesamt verwebt das Gleichnis verschiedene theologische und politische Dimensionen, die zusammen eine Botschaft der Hoffnung, Befreiung und sozialen Gerechtigkeit vermitteln. Es fordert dazu auf, sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung zu stellen und sich stattdessen für eine Welt einzusetzen, die von Liebe, Solidarität und Gerechtigkeit geprägt ist.

Bleistift , Farbstift, Aquarell
Wvz. 5368
Format: 700 x 700 mm
April 2024

26 Dann erreichten sie das Gebiet der Gerasener, das gegenüber von Galiläa auf der anderen Seite des Sees liegt.
27 Als Jesus aus dem Boot stieg und an Land ging, kam ihm aus der Stadt ein Mann entgegen, der von Dämonen beherrscht wurde. Schon seit langer Zeit trug er keine Kleider mehr und blieb auch in keiner Wohnung, sondern hauste in Grabhöhlen.
28 Kaum hatte er Jesus gesehen, schrie er auf, warf sich vor ihm nieder und rief laut: »Was willst du von mir, Jesus, du Sohn Gottes, des Höchsten? Ich flehe dich an, quäle mich nicht!«
29 Jesus hatte nämlich dem bösen Geist befohlen, den Mann zu verlassen. Schon seit langer Zeit war der Mann in der Gewalt des Dämons. Obwohl man ihn immer wieder an Händen und Füßen fesselte und einsperrte, konnte er seine Ketten zerreißen und wurde von dem Dämon in einsame Gegenden getrieben.
30 »Wie heißt du?«, fragte ihn Jesus. »Legion«, war die Antwort. Denn es waren viele Dämonen in ihn gefahren.
31 Sie baten Jesus inständig: »Schick uns nicht in den Abgrund der Hölle!«
32 Nicht weit entfernt an einem Abhang weidete eine große Herde Schweine. In diese Schweine wollten die Dämonen fahren. Und Jesus erlaubte es ihnen.
33 Nun verließen die Dämonen den Mann und bemächtigten sich der Tiere. Da stürzte die ganze Herde den Abhang hinunter in den See und ertrank.
34 Als die Schweinehirten das sahen, ergriffen sie die Flucht und erzählten in der Stadt und in den umliegenden Dörfern, was geschehen war.
35 Von überall her kamen die Leute gelaufen, um sich selbst zu überzeugen. Sie sahen den Mann, den Jesus gerade von den Dämonen befreit hatte. Er war ordentlich angezogen und bei klarem Verstand. Ganz ruhig saß er Jesus zu Füßen. Da wurde ihnen unheimlich zumute.
36 Diejenigen aber, die alles mit angesehen hatten, erzählten, wie der Besessene von Jesus geheilt worden war.
37 Daraufhin baten die Leute aus Gerasa und der ganzen Umgebung, Jesus möge ihre Gegend doch wieder verlassen, denn sie fürchteten sich sehr. Jesus stieg in das Boot, um zurückzufahren.
38 Der Mann, aus dem die Dämonen gewichen waren, bat darum, bei ihm bleiben zu dürfen. Aber Jesus beauftragte ihn:
39 »Geh nach Hause und berichte, welches große Wunder Gott an dir getan hat.« Da ging der Mann weg und erzählte in der ganzen Stadt, was Jesus für ihn getan hatte.