




Kurz nach dem ihr Vater verstarb erhielt sie, gerade erst 16 geworden, ihren ersten Heiratsantrag von einem protestantischen Pfarrer, der sie zuvor privat in vergleichender Philosophie und Religionswissenschaften unterrichtet hatte. Der 25 Jahre ältere Mann wollte Frau und Kind verlassen, hatte sich offenbar auch schon der Zustimmung der Mutter versichert, was Lou entsetzte, kündigte nach nun einsetzenden körperlichen Zudringlichkeiten die Unterrichtsstunden sofort auf und schwor sich selber niemals zu verheiraten, sich dem apollinischen zuzuwenden und dem dionysischen gänzlich zu entsagen. Dennoch sollten noch zahlreiche, weitere Heiratsanträge folgen. Denn wo immer von Salomé auch hinkam: Ihre Klugheit, ihre Sinnlichkeit, ihr unnahbares Wesen sorgten stets für Furore.

Entgegen dem Willen der Mutter, die sie am liebsten schnellstens unter die Haube gebracht hätte, begann sie ein Studium als Gasthörerin in Zürich, der einzigen Universität in Europa an der damals auch Frauen zumindest als Gast geduldet wurden. Sie belegte Vorlesungen in Philosophie (Logik, Geschichte der Philosophie, Antike Philosophie und Psychologie) und Theologie (Dogmatik). Hier lernte sie auch Paul Rée und seinen Freund Friedrich Nietzsche kennen, die sich beide auch gleich unsterblich in sie verliebten und deren beider Heiratsanträge sie natürlich ablehnte. Während Paul Rée die Abweisung noch wie Kavalier hinnahm geriet Nietzsche in übellaunige Raserei. Da er keine Lust mehr auf ein rein geistiges Miteinander hatte beschimpfte er die Unerreichbare nunmehr als „übelriechendes Äffchen mit falschen Brüsten“. Das Trio flog auseinander. Auch wenn es ihm später leid tat sich so gehen gelassen zu haben und sich hierfür auch mehrfach schriftlich entschuldigte, gab es zwischen den beiden keine Aussöhnung mehr.
Sie bezog mit Paul Rée, rein in freundschaftlicher Beziehung, eine gemeinsame Wohnung in Berlin. Damals eine Straftat – und als Elisabeth Nietzsche das Paar anzuzeigen drohte, ging Lou eine Scheinehe mit dem deutlich älteren Orientalisten Friedrich Carl Andreas ein, bestand aber darauf, das die Ehe nicht „vollzogen“ werden dürfe. Dieser vergnügte sich in seiner „Not“, während dieser langjährigen, „enthaltsamen“ Ehe, immer mal wieder mit der Haushälterin, welche auch zweimal schwanger wird. Das erste Kind verstirbt früh, das zweite, ein Mädchen, wird 1905 geboren, welches Lou nach dem Tod der Mutter und ihres (Schein) Mannes adoptiert, später sogar zur Alleinerbin ihres Nachlasses einsetzt und von ihr sogar im Alter versorgt wird.
Dann doch das Dionysische …

„Sofern du willst ein Leben haben: raube dir’s!“
So langsam legt sich der Mantel der Geschichte, des Vergessens, über Lou Andreas-Solomé. Denn was anscheinend von der einstigen, vehementen Vertreterin des Ich-Prinzips in Erinnerung bleiben wird ist ihr Ruf als Geliebte, als Muse und Wegbegleiterin großer Männer. In Vergessenheit gerät dabei ihre schriftstellerische Leistung: Sie selbst bezog stets, und dies auch immer recht kommerziell erfolgreich, schriftliche Positionen zu Themen wie Erotik und Gottesverlust, nahm Erkenntnisse der Psychoanalyse vorweg, schrieb über Geschlechterdifferenz und brachte damit die Frauenbewegung auf die Palme. Denn so gnadenlos wie sie selber für sich die traditionelle Frauenrolle ablehnte, so schuf sie, vielleicht aus einer intellektuell überhöhten, ja schon arroganten Position heraus, mit ihrem Werk „Der Mensch als Weib„, in dem sie das weibliche Element als das geringer Entwickelte, als das Undifferenziertere beschreibt, vermutlich das erste, von einer Frau selber verfasste antifeministische Werk. Und dies ist genau der Punkt, an dem hier Schluss sein sollte …
„Ich bin Erinnerungen treu, Menschen werde ich es niemals sein.“

Bleistift
Wvz. 5208
Format: 500 x 370 mm
Februar 2020
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