Caprichos von Francisco Goya und Andreas Noßmann bei Schütte
In skurrilen anonymen Maskierungen spitzem Blei- und Federstrich folgend, sparsam aquarelliert geißelt Andreas Noßmann menschliche Schwächen mit scharfer Beobachtungsgabe. Darin steht er seinem Vorbild Francisco de Goya in nichts nach. Goyas „Caprichos“ sind denn auch oft die thematische Quelle der komischen und tragischen Gestalten seiner neuesten Arbeiten, die ebenfalls den Titel „Caprichos“ tragen. Der Galerist Gerd Schütte hat diese thematische Verquickung der beiden Künstler daher auch gelungen gegenübergestellt.
Zwölf originale Radierungen Goyas laden ein zum Vergleich mit den Bearbeitungen Noßmanns. Dank Noßmanns ungezügelter Phantasie, seinen plötzlichen Einfällen und irrealen Inszenierungen kann hier aber von Nachahmung nicht die Rede sein. Die gewohnte Welt wird aus den Angeln gehoben. Alle gesellschaftlichen Schichten und Gruppierungen ergeben mal lächerlich, leidend, verlogen, gemein oder hinterhältig dargestellt ein der Wirklichkeit stark verfremdetes Weltbild.
Spitz verspottet er die Kurpfuscherei der Ärzteschaft durch einen Eselsohren-Arzt, der sich über stöhnenden Kranken beugt. Im Hintergrund tummeln sich bei näherem Hinsehen andere heilversprechende Institutionen. „Wohl oder Übel“ nennt sich diese Zeichnung. Das Pendant bei Goya heißt „An welchem Übel wird er sterben“ und zeigt den Arzt als kompletten Esel.
Zahlreiche andere neue Zeichnungen aus anderen Schaffenszyklen, die teilweise sehr autobiographische Züge tragen, komplettieren die Ausstellung. Beeindruckend auch die wenigen wahrlichen Horrorszenarien. Noßmann besticht vor allem durch die perfekte realistische Wiedergabe jeglicher Details seiner oft mittelalterlich wirkenden Figuren, was gleichzeitig die Identifikation mit ihnen relativiert und dadurch eine gewisse Distanz schafft. in der Galerie Schütte ist es nach 1988 und 1990 mittlerweile die dritte Einzelausstellung des noch sehr jungen studierten Kommunikationsdesigners, der bereits auf zahlreiche Gruppen- und Einzelaustellungen sowie mehrere Messevertretungen und auch Buchveröffentlichungen zurückblicken kann.
Auch zu dieser Ausstellung hat Galerist Gerd Schütte einen farbigen 64seitigen Bildband zusammengestellt, der mit anderen Veröffentlichungen in der Galerie erhältlich ist. Die Ausstellung ist noch bis zum 28. Dezember zu sehen.“
Öffnungszeiten: Mittwoch bis Freitag 15.30-18.30; Samstag 11.00-14.00.
Ab 3. Dezember bis 26. Januar ist Noßmann gleichzeitig mit anderen Arbeiten im AaltoTheater zu sehen.
garp
WAZ, 24.12.1991