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Götterwelten

Allen natürlichen Phänomenen, auf die sich der Mensch einst keinen Reim machen konnte, schrieb man dem Wirken einer höheren Macht, die eines über den Menschen und der Welt selbst stehenden Wesens zu. Dies war die Geburtsstunde der Götter, die der sogenannten Theogonie nach Hesiod. Götter für alles und jeden, Götter für den Himmel, die Sterne, des Jenseits und des Todes, des Meeres und der Flüsse, der Fluten und der Ebbe, aber auch der Fruchtbarkeit des Feldes, der Frau, der Liebe, der Schönheit und selbst des Krieges, usw.

Der Glaube an vermeintliche Götter ist im Grunde somit so alt, wie der Mensch selbst, als er einst die Fähigkeit zur Reflektion seiner Selbst gewann. Aber aus einer wahllosen Anzahl von lokal bedeutenden Göttern eine Mythologie zu erschaffen, welche den direkten Zusammenhang dieser jeweiligen untereinander sinnvoll mit einander verbindet, eine Art von Götter-Familienstammbaum zu ersinnen, wurde erst durch die Entstehung früherer Hochkulturen möglich. So erschufen wir, die Menschen, des weiteren auch eine entsprechende Priesterschaft, rund um alle Gottheiten und auch zahllose Tempel, zur Verbreitung und Manifestierung des jeweiligen Götterkultes, in denen jene autorisierte Zeremonien zur Verehrung jener fiktiver Überwesen, Recht und Gesetz, im Sinne der Obrigkeit einfacher um- und durchzusetzen zu waren.

„Homer“
Kohle, Wvz. 5126, Format: 385 x 270 mm
Dezember 2018

Die wohlbekannte griechische Mythologie ist somit bei weitem nicht die älteste, aber dank der ersten schriftlichen Aufzeichnungen eines Homers (5 Jhdt. v. Chr.) und des Hesiods (7. Jhdt. v. Chr.), die für uns heute nachhaltigste, welche auch Rückschlüsse auf frühere Mythologien zulässt. Denn auch hier sind all jene Götter wieder stellvertretend für bis Dato eigentlich nur unerklärbare, aber überaus natürliche Phänomene. Nur sie hießen natürlich immer mal wieder anders: Onuris, Gott des Krieges im einstigen Ägypten, Wodhan im nordischen, heißt nun in der griechischen Mythologie Ares und die Römer änderten diesen ganz einfach um in Mars. Denn der Krieg und somit dessen göttliche Personifizierung ist alle Zeiten und alle Kulturen übergreifend, als ewiges Menetekel der Menschheit recht zugetan. Und auch wenn man den Glauben an die einstigen Götter gegen eine Religion, dann durch reine Ratio eintauschte, so kamen spätere Kaiser und Könige auch nie ohne einen Kriegsminister und wir so aufgeklärte Welt, bis heute noch nicht einmal ohne einen Verteidigungsminister aus – an einen Mars oder Ares immer noch erinnernd.

Was die griechische Mythologie aber weit über derer früherer Hochkulturen erhebt ist der Wunsch und der Versuch dieser Welt, allen Unerklärbarkeiten somit, auch einen Anfang geben zu wollen. Und dieser erscheint uns selbst heute gar nicht mal so unsinnig, deutlich freier interpretierbarer als der Glaube, dass diese Welt tatsächlich nur durch eine allmächtige Hand in nur sieben Tagen erschaffen wurde.

„Hesiod“
Bleistift, Farbstift, Aquarell
Wvz. 5260
Format: 485 x 245 mm
März 2021

Am Anfang von Allem denk- und sichtbaren stand nach der literarischen Interpretation des Hesiods, das Chaos. In dessen Theogonie wird das Chaos somit an den Anfang gestellt. Die Welt wird nicht aus dem Nichts geschaffen; es gibt schon Materie, jedoch keine Form und keine Ordnung. Aus dem Chaos, dem Urzustand der Welt, entsteht als erste Göttergeneration die Erde Gaia, die Unterwelt Tartaros, die Begierde in Form des Windes Eros, die Finsternis Erebos und die Nacht Nyx. Aus der Verbindung von Nyx und Erebos gehen der Tag Hemera und die Luft Aither hervor. Und siehe da, so einfach würde sich die Entstehung der Welt erklären lassen können, wenn jene Götter wirklich nur Götter gewesen wären. Denn auch diese Mythologie wurde einst natürlich von Menschen ersponnen und somit sind auch diese göttlichen Weltenlenker nur allzu menschlich, aber eben vermeintlich unsterblich. Und so wurde äonenlang nur gezeugt um weitere Götter ins Leben zu rufen, welche zukünftig nicht nur stellvertretend sein sollten für alle Phänomene der Natur, sondern auch für die menschlichen Tugenden – oder auch Untugenden. Und natürlich – allzu menschlich – wurde seit Anbeginn der Zeit unter den Göttern, rein der Macht wegen, auch intrigiert, Neid entfacht und auch gemordet.

Uranos

Somit zum Abschluss kurz, die Erzählung zum ersten Opfer dieser Teils recht grausamen Mythologie, der frühen Gottheit Uranos, dem Himmel, welchen Gaia, die Erde, weil sie sich so alleine und verlassen fühlte, aus sich selber heraus gebar. Doch durch den bereits bestehenden Gott Eros, den Wind, wurde die Begierde des Uranos so dermaßen angefacht, dass er von Gaia, im Grunde seiner eigenen Mutter, gar nicht mehr ablassen wollte und sie hundertfach schwängerte. Doch all ihre Kinder, die kommenden Titanen, Kyklopen und Giganten, konnte sie nicht gebären, da immer wenn sie niederkommen wollte, der Himmel immer wieder in sie eindrang. Völlig genervt von dieser Situation versuchte Gaia nun all ihre Kinder in ihrem Inneren dazu zu überreden sich gegen den eigenen Vater aufzulehnen. Doch keines hatte den Mut dazu. Nur eines ihrer noch ungeborenen Kinder, der Titan Kronos, wollte das gruselige Schicksal von Mutter Erde endlich beenden wollen. Und dann das: Er, der seinen eigenen Vater mit einer Sichel entmannte und damit all seine Geschwister aus der Erde befreite, somit zur ersten Urgottheit aufsteigt, erleidet später ein ähnliches Schicksal, fällt und stirbt durch die Hand des eigenen Sohnes, die des Zeus.

Doch was wurde aus Uranos, dem Himmel? Entmannt durch seinen eigenen Sohn schwebt Uranos nun seit Urzeiten, Gaia nie wieder berühren könnend, nur noch über ihr. Aus Reue, was er der Erde alles angetan hat und aus Sehnsucht zu ihr, muss der Himmel immer mal wieder Weinen und somit ist es der Regen, der uns vielleicht an die einstige allzu innige Verbindung zwischen Himmel und Erde erinnern will …