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Alfred Hitchcock – Meister des Suspense

Alfred Hitchcock (1899 – 1980) gilt als einer der einflussreichsten Regisseure der Filmgeschichte überhaupt, der es wie kein anderer verstand, in Szenen Spannung bis hin zur Unerträglichkeit aufzubauen – somit den anspruchsvollen Horror erfand, ohne dabei wie heute in diesem Genre leider allzu oft üblich, auf Literweise Blut und Splatter zurück greifen zu müssen. Ich kann natürlich hier an dieser Stelle nicht auf alle Filme Hitchcocks eingehen, das würde ein Buch werden, derer es sicherlich auch schon, von deutlich berufenerer Seite als mir, mehr als genug gibt. Aber vielleicht dann doch auf zwei, und dies möglichst kurz gehalten.

Natürlich gab es auch schon vor Hitchcock Gruselfilme unterschiedlichster Art und Weise. Meist kam das Böse zuvor im Kinofilm in Form von Monstern entweder aus den Weiten des Alls, den Tiefen des Amazonas oder wie von Mary Shelley erdacht, aus dem finsteren Labor eines größenwahnsinnigen Professors, welcher von dem Gedanken beseelt war, aus diversen Leichenteilen neues Leben erschaffen zu können, einen neuen, besseren Menschen, der sich am Ende dann aber doch als noch schlimmeres Monster erwies, als sein Schöpfer selber.

PsychoMit dem Film Psycho, von 1960, revolutionierte Hitchcock das gesamte Genre des Horrors. Denn es trat ein neues, völlig unerwartetes Monster auf die Kinoleinwand – der Mensch selber. Kein bizarres Etwas mehr, sondern der nette junge Mann von nebenan, sympathisch wirkend, schon alleine wegen seiner Sorgen um die kranke Mutter, aber dem man ansonsten nicht viel zutrauen würde, erst recht nicht eine krankhafte Neigung zur Gewalt. Das war 1960 geradezu „schockierend“ neu. Im Grunde ist Norman Bates die passende Kausalität zu Adolf Eichmann in Hannah Arendts Buch Die Banalität des Bösen.

Doch auch in einem anderem Punkt ist dieser Film wegbereitend, nämlich in dem Aspekt der Suggestion des vermeintlich Gesehenen. Der verantwortliche Zensor dieses Films wollte tatsächlich jene Szene, welche dann Filmgeschichte schrieb, jene berühmte Duschszene eben, von Hitchcock herausschneiden lassen, da er meinte Marion Crane (Janet Leigh) komplett nackt gesehen zu haben – vor allem jene Bereiche ihres Körpers, die damals eben noch der Prüderie der Kinozensur zum Opfer gefallen wären. Und jeder damalige Kinobesucher war sich ebenso sicher gesehen zu haben wie das Messer des Täters, immer und immer wieder, in den Körper des armen Opfers eindrang, bis dieser dann, gänzlich Blutverschmiert, auf dem Boden der Dusche in sich zusammen sank. Doch nichts dergleichen ist wirklich zu sehen.

Die zwei bestimmenden Kameraansichten der berühmten Duschszene, hier in einem Foto montiert. Doch was sieht man wirklich?

Die überaus geschickte Kameraführung, die wohl durchdachten Bildschnitte und die revolutionäre Hintergrundmusik suggerieren uns all das, was wir sehen sollen, wir nun glauben zu sehen, was aber eigentlich nicht gezeigt wird. Auch heute wird noch mit diesem Effekt der Suggestion gearbeitet obwohl man natürlich bedenken muss, das die Sehgewohnheiten der Kinobesucher 1960 noch deutlich anfälliger waren für solch eine geniale Hitchcock Illusion als für unser eins von heute.

Die VögelDer zweite Film auf den ich, ich hoffe jetzt etwas kürzer gefasst, noch eingehen möchte, ist natürlich Die Vögel von 1963, in dem der einfache Vogel sich plötzlich, auf unerklärliche Weise, über alle Vielfalt der Arten hinweg zusammen rottend, erst zum Schrecken einer friedliebenden Gemeinde und dann des eines ganzen Landes wird.

Aber auch schon vor Die Vögel waren Tiere, vor allem aber Insekten in Filmen Auslöser für Angst und Schrecken. Doch zumeist erklärbar, da z. B. mutiert durch eine atomare Bestrahlung, ausgelöst durch einen Reaktorunfall, Atomwaffenversuche im Nirgendwo, welche vor allem Spinnen, Ameisen oder andere Insekten zu Hochhaus großen Kreaturen heranwachsen ließen. Bei Hitchcock ist und bleibt der gewöhnliche Spatz halt Spatz und die Möwe ist halt auch nicht anders oder größer als sonst auch. Und er bietet auch keinerlei Erklärung für das plötzlich aggressive Verhalten der Vögel, auch wenn sich die Protagonisten des Films sich allesamt ihre eigene Theorien hierzu zusammenreimen – bis hin zum: Das ist die Rache der Natur! Am Ende aber gibt es keine Auflösung des Rätsels. Der Angriff der Vögel bleibt ein Mysterium, bis zum Schluß.

Hitchcock mit seinen zwei Hauptagressoren des Films: Möwen und Krähen. Aber auch Sperlinge spielen eine Rolle.

Dieser Film bietet auch mehrere Paradebeispiele für Hitchcocks Gespür für den von ihm perfektionierten Suspenseeffekt. In einer gefühlt ewige Minuten andauernden Szene wartet die Hauptprotagonistin des Films, Melanie Daniels (Tipi Hedren), vor einer Schule sitzend, um die Lehrerin und auch die Schüler über die letzten Vogel Attacken im Ort zu unterrichten. Was sie selber nicht sehen kann, aber sehr wohl der Kinobesucher, ist, das sich hinter ihr auf dem Spielplatz, Vogel um Vogel versammelt, schwarze Krähen anscheinend die Schule angreifen wollen. Erst im letzten Moment fliegt eine Krähe durch ihr Sichtfeld, die Kamera folgt ihrem Blick und landet dann auf den mit Krähen völlig überfüllten Spielplatz. Entsetzen pur.

Ach, einen habe ich noch. Und nur am Rande: Der stille Schrei!
Im Film Die Vögel entdeckt Lydia Brenner (Jessica Tandy – auch bekannt aus Miss Daisy und ihr Chauffeur), die Mutter des Hauptprotagonisten Mitch Brenner, den von Vögeln verstümmelten Nachbarn in seinem Haus. Endlos schreiend, ohne aber dabei auch nur einen Ton heraus zu bringen, rennt sie aus dem Haus. Einen ähnlichen, ebenso eindringlichen stillen Schrei kenne ich nur aus Coppolas Der Pate 3.

Alfred Hitchcock – Psycho
Federzeichnung, Farbstift, Aquarell, Collage
Wvz. 5232
Format: 300 x 230 mm
Juni 2020

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