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Das Dorf (Romanfragment) No. 1

Eine alte Legende, hier vor Ort, unter den zahlreichen Gästen immer mal wieder kursierend, besagte, dass diese alten Häuser, deren Mauern außen und deren schiefen Wände im Inneren, alles speichern, was in ihnen oder um ihnen herum bisher je geschehen war. Natürlich alles Tinnef, reiner Aberglaube, nach Meinung der Dorfbewohner. Aber, wer weiß das schon? Auch die Hölle selber hatte ja noch nie jemand gesehen und dennoch glaubte alle Welt daran. Gibt es eine Hölle?

Das Dorf, nicht mehr als ein bescheidendes Städtchen vielleicht, lag scheinbar gänzlich vergessen, von allen und jedem, in einer nur allzu beschwerlich zugänglichen Bucht, U-förmig umrahmt von tief zerklüfteten Felsen, welche sich in Richtung Osten, also in Richtung der Hochebene und Landesinnerem, am hinteren Ende der Siedlung, an die gut hundert Meter steil auftürmten.  Die nicht wenigen Häuser des Dorfes, welche sich eher nur unwillig in geregelter Ausrichtung an die jeweiligen wenigen alten Gassen schmiegten, waren mehr oder weniger alle von gleicher Bauart und Architektur. Sie bestanden in erster Linie aus hier vor Ort gehauenem Gestein, abgerungen eben jener ominösen Felswand, welche das Dorf und seine Einwohner schon seit ewigen Zeiten eng umschlungen hielt. Die eher unförmigen, allzu schneidend kantigen Steine der Häuser, ehemals nur grob auf Ziegelform zusammengestutzt und mit dem einfachen Sand und Schlamm des nahe gelegenen Strandes zementiert, überzog mittlerweile eine zunehmend glättende, grüne, pilzartige Schicht, welche den Dunst und den salzigen Geruch des Meeres in sich zu konservieren schien. Denn immer wenn sich mal die Sonne, in den wenigen wirklich warmen Monaten des Jahres, aus dem meist hier Wolken verhangenen Himmel, zeigte und somit dem Dorf kurzweilig Temperaturen über 20 Grad bescherte, durchzog all die alten Gassen und Häuser, bis hin zum hinteren Ende, fernab des Strandes und mit Rücken an die hoch aufragende Steilwand gedrängt, ein wohlriechender, frischer Duft von Meerpriese.

Gerade in den, allerdings nur wenig auftretenden, wirklich sonnigen Tagen des Jahres, wirkte dieses Dorf ja schon fast malerisch verträumt. Die mit dicken, grünem Pilz überwachsenden Wände der Häuser umgarnten ja nun jetzt schon seit Jahren, zusätzlich, ein dicht verwachsenes Geflecht von Efeu ähnlichen Ranken, fähig einer Blüten ähnlichen Pracht, welche dem an sich trüben Einerlei hier, in dieser Bucht, wenn auch nur zeitweise, eine ungeahnte Freundlichkeit verlieh. Ende August war es mit dieser Herrlichkeit aber auch immer schon wieder vorbei. Denn dichte, dunkle Wolken, denen, wie süchtige Furien gleich folgend, erste leichte Winde, sich dann zu Stürmen aufbauend,  zogen zunehmend, vom Meer aufkommend, immer wieder in Richtung Dorf und verdunkelten, vernebelten alles – wie seit ewigen Zeiten schon.

Ende – Auszug, Teil 1

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