Das Mönle, wie man sie allseits nannte, ist, wie man heute zu Recht annimmt, die eher ungeliebte Tochter von Thomas und Katia Mann .., das vierte Kind von sechs. Nach der exaltierten, sehr selbstbewussten erstgeborenen Erika, der Eri, dem schriftstellerisch hochbegabten Klaus, dem Eissi, und dem in jeder Hinsicht eloquenten Golo, suchte das Mönle irgendwie vergebens nach ihrem rechten Platz innerhalb der Familie. In den Aufzeichnungen und Briefen ihrer Familie wurde sie oft als seltsam und wunderlich beschrieben: „Sie ist nach dreiwöchigen Aufenthalt hier (im Elternhaus), doch ganz das alte, dumpf-wunderliche Mönle, völlig unbeschäftigt, die Speisekammer bemausend“.
Oft übersehen, in Sachen Psyche und der offensichtlichen Labilität Monikas, wird in dieser Hinsicht natürlich auch immer wieder gerne der allzu große Alptraum schlechthin: Das Schiff, welches sie gemeinsam 1940 mit ihrem Mann von Liverpool in Richtung Kanada nahm, um dem Rest der Familie in Richtung Emigration zu folgen, wurde von einem deutschen U-Boot versenkt. Nach eigener Aussage hörte sie ihn noch dreimal nach ihr rufen. Sie selbst trieb 20 Stunden lang in einem Rettungsboot im Ozean, bis ein englisches Kriegsschiff die wenigen Überlebenden aufnahm und nach Schottland brachte. Erst gut einen Monat später erreichte sie ihr erwünschtes Exil … und fand nur wenig Beistand.
Die zunehmend aufkommenden schriftstellerischen Ambitionen seiner ihn ständig nervenden Tochter missbilligte Thomas Mann ausdrücklich. Er glaubte nicht an sie und wenn sie ihm abermals ein Manuskript vorlegte, um seine Meinung zu erfragen, lehnte er es ab dieses zu lesen, mit der Begründung: „Ich lese nichts, bevor es veröffentlicht ist“. Und Katia Mann äußerte 1949 in einem Brief an Klaus: „Man mag ihr diese letzte Lebenslüge nicht nehmen, andererseits, wenn sie sich darauf versteift und ihre halb begabten, geschmacksunsicheren, danebengehenden Produkte unter Beihilfe ihres Namens veröffentlicht, was durchaus denkbar ist, so ist es einem auch wieder nicht recht.“
Ich habe über sie, das Mönle, mehr gelesen als von ihr selber verfasst. Dennoch: Diese kurze Quintessenz allerdings, aus ihrem Artikel, Der Einsame, ihren Onkel Heinrich Mann betreffend, hat mich mehr als beeindruckt, denn es drückt durchaus stellvertretend aus, wie verloren sich viele Exil-Literaten sich damals gefühlt haben müssen, der Muttersprache beraubt …
Zuletzt sah ich ihn – es war zu Beginn des Jahres 1949 – in Santa Monica. […] Der Lübecker Patrizier mit dem Gebaren eines französischen Grandseigneurs ging einsam, fremd und müde durch die Alleen von Santa Monica. Leicht gebeugt der Rücken, die Arme etwas nach vorne hängend, der Panamahut seine Stirn beschattend – schaute er verständnislos auf das Treiben der Menschen: abhold,verschlossen, ihrer Sprache, ihrer Mentalität. Sein Gang war elegante Opposition und voll kommende Isoliertheit
Monika Mann (1910 – 1992)