Virginia Woolf (1892 -1941) zählt neben James Joyce, D.H. Lawrence und Joseph Conrad zu den bedeutendsten Vertretern der modernen englischen Erzählliteratur, in der Hintergründe und Realitäten der jeweiligen Romanfiguren, in einer Art Montagetechnik, im Wechsel von äußerer und innerer Zeit, sich auch von einem Selbstmonolog leiten lassen. Ihr wohl bekanntester Roman Mrs. Dalloway, von 1925, zählt heute zu den bedeutenden Romanen der Weltliteratur. 2002 erschien der Film „The Hours“ – ein Film nach Michael Cunningham gleichnamigen Roman, welcher, ganz im Sinne Virginia Woolfs, mittels zeitlicher Parallelmontagen, sich dem Thema der Mrs. Dalloway anzunähern versucht. Diese Romanverfilmung mit Starbesetzung, in dem Nicole Kidman, damals noch nicht gänzlich runderneuert, Virginia Woolf mimt, darf man durchaus als überaus gelungen, ja mehr als sehenswert bezeichnen. Im Grunde ein Muss, für Freunde der modernen klassischen Literatur.
Wie so viele (oder wenigen) andere Frauen ihrer Zeit, welche sich auschlichlich der Kunst, Kultur und Literatur widmen konnten, und dann auch noch zu Berühmtheit gelangten, stammte auch Virginia aus einem wohlhabenden Elternhaus, hatte eben auch diesen einen Vater, welcher das alles bestimmende Frauenbild jener Zeit schlichtweg ignorierte und sich darüber hinweg setzte. Die erstgeborene Tochter, des einst höchst anerkannten englischen Literaten und Historikers Leslie Stephen, aus dessen zweiter Ehe noch drei weitere Geschwister hervorgingen, wuchs somit stets vom Vater, in allem gefördert, wohlbehütet auf. Und dennoch zeigten sich bei Virginia schon sehr früh erste Schübe tiefer Depressionen.
Historiker munkeln, spekulieren, wie so oft – denn nichts ist wie immer einwandfrei erwiesen, hinsichtlich ihrer schon recht früh eintretenden Suizid Vorstellungen. Die einen sehen eine Mitschuld, an ihrer lebenslanger Verstörung, ihrem stets bleibenden psychischem Leiden, bei ihren Halbgeschwistern, den beiden Kindern ihres Vaters aus erster Ehe, welche sie, angeblich, mehrfach sexuell missbraucht oder zumindest immer wieder unsittlich berührt haben sollen. Andere sehen darin das Erbe ihres Vaters selbst, von ähnlichen Qualen heimgesucht, welchen sie gänzlich vergötterte und nach dessen Tod sich ihre Wahnschübe noch weiter verschlimmerten.
1912 machte ihr Leonard Woolf einen Heiratsantrag und aus Adeline Virginia Stephen wurde nun namentlich Virginia Woolf. Von gemeinsamen Bekannten eingefädelt, endete dann diese Bekanntschaft in einer überaus fruchtbaren Zweckgemeinschaft, in einer echten und tiefen Freundschaft, aber auch in einer Ehe, die so keine war, denn diese blieb rein platonisch. Denn Virginia war von der sexuellen Männlichkeit eher angewidert, war eher den Zärtlichkeiten ihrer Freundinnen zugeneigt, obwohl sie ihren Mann durchaus liebte, ihn mehr als schätzte. Man veranstaltete gemeinsam, nach Vorbild der Pariser Salons, regelmäßige Treffen mit allen bedeutenden Intellektuellen des Landes, begründete den Verlag, den Hogarth Press, welcher sich vor allem der modernen englischen Literatur widmen sollte. Auch Mrs. Dalloway, wie auch weitere Essays von Virginia, und anderer Kollegen, erschienen erfolgreich im Eigenverlag. Nur das ausgerechnet sie, Virginia Woolf, ein recht aufwendiges Manuskript von James Joyce für den gemeinsamen Verlag ablehnte, würde sie heute selbst wohl als unverzeihlichen Fauxpas einräumen müssen.
Wvz. 4894
Format: 291 x 210 mm
Oktober 2013
Der Freitod – Der Suizid der Virginia Woolf
Das Menschen sich freiwillig das Leben nehmen, nicht mehr sein wollen in dieser Welt, hat wohl unterschiedlichste, so weitreichende Gründe, die man selber, als gänzlich Außenstehender, nie nachvollziehen kann, ja unbegreiflich bleiben werden. Denn selbst jene, die vom Glück des Schicksals mehr als begünstigt zu sein scheinen, tragen u.U. auch die Neigung, die Sehnsucht hin zum Tode in sich. Und diese lässt sich wohl nie negieren. Auch Golo Mann attestierte einst seinem Bruder Klaus, schon in jungen Jahren, die ständige Neigung hin zum Tod, des nicht Leben Wollens, obwohl diesem, dank seines großen Talentes, die ganze Welt zu Füßen hätte liegen können. Auch Virginia Woolf nimmt sich das Leben. Schon zu Lebzeiten erfolgreich, Ikone der aufkommenden Frauenbewegung, Aushängeschild der damaligen englischen Literaturszene will nicht mehr … wollte nie sein, im Grunde nie leben. Der Freitod, der Virginia Woolf, ist im Grunde für sie irgendwie exemplarisch – erforderte im Grunde fast übermenschliche Willenskraft. Sie wählte nicht das Gift, nicht die Kugel aus der Pistole, nein, sie ging ins Wasser, beschwerte sich selbst noch mit Steinen, um nicht wieder auftauchen zu können. Wie beschwerlich dieser Freitod wohl einst gewesen sein muss? Wie lange es wohl gedauert haben muss, bei vollem Verstand, sich die Lungen mit Wasser fluten zu lassen, um dann irgendwann die Besinnung zu verlieren, aber dann doch noch einmal, instinktiv, nach Luft schnappen zu wollen … Man mag es sich selbst nicht ausmalen wollen.