Von HANNA STYRIE
Beim Anblick dieser düsteren, abgründigen Bilder kann einem schon mal der Atem stocken. Andreas Nossmann konfrontiert Betrachter erbarmungslos mit apokalyptisch anmutenden…
BRÜHL. Beim Anblick dieser düsteren, abgründigen Bilder kann einem schon mal der Atem stocken. Andreas Nossmann konfrontiert Betrachter erbarmungslos mit apokalyptisch anmutenden Szenen, mit frivolen und karikierenden Darstellungen einer dekadenten Gesellschaft, die keine Tabus kennt.
Dabei ist der Zeichner selbst ein Mensch mit friedfertigem Gemüt und freundlich-zurückhaltender Ausstrahlung. 2001 ist Nossmann wegen eines beruflichen Kontaktes nach Brühl gezogen; hier entstehen seither in unablässiger Folge die feingestrichelten, fast altmeisterlichen Blätter.
Mit fünfzehn Jahren wusste er, dass das Zeichnen sein Medium ist. Andreas Nossmann, der 1962 in Hilden geboren wurde, machte nach der mittleren Reife eine Ausbildung zum Technischen Assistenten für Gestaltung“ und studierte in Wuppertal Kommunikationsdesign mit den Schwerpunkten „Freie Grafik“ und „Malerei“. „Das war eine klassische Ausbildung mit Landschaft, Akt und anderen Themen“, erinnert sich der Künstler, der gern mit Horst Janssen verglichen wird. Mit ihm hat er die Neigung zum schwarzen Humor gemeinsam; auch die Vorliebe für die skurrilen und fantastischen Gestalten, die sich in großer Zahl auf seinen Arbeiten tummeln.
Und noch ein Name drängt sich fast zwangsläufig auf: der von Francisco de Goya, der im 18. Jahrhundert die Schrecken des Krieges im Bild festhielt und Kritik an Adel und Klerus übte. Andreas Nossman kreiert mit dem Zeichenstift einen ganz ähnlichen, oft verstörenden Kosmos, in dem er den Menschen den Spiegel vorhält.
Leidenschaft, Rausch und Begierde brechen sich Bahn auf groß- und kleinformatigen Blättern, die man genau anschauen muss, wenn man jedes Detail aufnehmen möchte. „Je oller, desto doller, oder: Könnte glatt ihr Vater sein“ ist ein Blatt betitelt, das einen älteren Herrn mit Zylinder zeigt, der ein fein herausgeputztes, frühreifes Mädchen an seiner Seite hat, in dessen Mund ein Schnuller steckt.
Lüsterne Männer und entblößte Frauen drängen sich auf den Bildern, oft sind auch Tod und Teufel nicht fern. Brillant ist der Strich des 47-Jährigen, der mit Graphit das Motiv anlegt, das er später mit Aquarellfarbe, Farbstift oder Pastell koloriert. Anregungen liefern ihm Filme und Bücher, Mythen und Legenden, und oft auch die Bibel.
Aus diesem reichen Fundus schöpft Nossmann, der ein Bildvokabular entwickelt hat, dem man immer wieder begegnet. Narrenkappe, Zipfelmütze und Dreispitz zieren viele seiner Protagonisten; auch Tiergestalten sind ein wiederkehrendes Motiv. Es versteht sich fast von selbst, dass auch der politische Alltag jede Menge Stoff liefert.
Nossmanns eigenwilliges Oeuvre ist in einer Reihe von Büchern veröffentlicht worden; in Ausstellungen hingegen ist es bislang eher selten zu sehen. Eine der raren Gelegenheiten bietet sich Mitte August bei den Kunsttagen in der Abtei Brauweiler und im Oktober in der Gymnicher Mühle, wo ihn der Kunstverein Rhein-Erft vorstellen wird.
„In München hab ich keine Chance, denen sind meine Arbeiten viel zu anstößig“, erzählt Nossmann amüsiert, der sich von manch einem Blatt nur schwerlich trennt. Derzeit arbeitet er an einer Serie über die sieben Todsünden. „Die menschliche Tragödie ist am anregendsten“, versichert er schmunzelnd.
Doch es gibt noch eine andere Seite. Andreas Nossmann hat hinreißende Porträts geschaffen, etwa von der Familie Thomas Manns. Der Film hat ihn zu diesen wunderbaren Arbeiten inspiriert, die zum Teil auf alten Grundbuch-Akten entstanden sind. Das vergilbte Papier und die verblichene Schrift geben den Porträts einen ganz speziellen Ausdruck.
Auch durch das Überzeichnen und Ergänzen von Motiven, die er etwa in alten Zeitschriften findet, entsteht eine ganz eigene Welt, die von heimlichen Begierden, von Lust und Laster, erzählt.
Nossman hat indes so gar nichts Dämonisches an sich, wenn er in Jeans und T-Shirt am Zeichentisch sitzt. „Ich hab´ einen ganz normalen Arbeitstag wie andere auch“, berichtet er. Richtig abschalten kann er freilich nie, weil er auch im Café und in der Kneipe die Blicke schweifen lässt, um Gesichter und Situationen einzufangen.